Das Werwolf-Syndrom beim Hund: Was ist das?
Seit dem Spätsommer 2024 werden immer wieder Fälle bekannt, in denen von Hunden berichtet wird, die plötzlich zum Teil schwerwiegende Verhaltensänderungen wie Panikattacken oder anhaltendes Bellen und Jaulen zeigen.
Unsere Tierärztin Dr. Julia Vietmeier erklärt dir den aktuellen Stand in der Forschung und was es mit dem sogenannten “Werwolf-Syndrom” auf sich hat.
Was ist das Werwolf-Syndrom beim Hund?
Unter dem Werwolf-Syndrom versteht man das plötzliche Auftreten von zum Teil schweren neurologischen Symptomen und Verhaltensänderungen beim Hund. Seit August 2024 tritt diese Erkrankung vermehrt deutschlandweit und im europäischen Ausland auf.
Kürzlich wurde gemeldet, dass es sich aktuell um ca. 60 Fälle deutschlandweit handelt, die von Tierneurologen diagnostiziert wurden. Die Dunkelziffer kann aber viel höher liegen.
Der Begriff „Werwolf-Syndrom“ ist kein Fachbegriff, sondern ein umgangssprachlicher Ausdruck, der darauf zurückgeht, dass die Hunde Verhaltensstörungen wie exzessives Heulen, unkontrollierte Bewegungen und Panikattacken zeigen.
Wichtig zu wissen: In der Humanmedizin kennt man diesen Begriff ebenfalls. Hier versteht man darunter eine sogenannte Hypertrichose. Dies ist ein abnormales Haarwachstum, bei der die Behaarung das ganze Gesicht und den Körper betreffen kann.
Werwolf-Syndrom bei Hunden: Die Symptome
Die Symptome des Werwolf-Syndroms kommen sehr plötzlich und unerwartet. Die Hunde fangen häufig an zu jaulen und zu bellen, zeigen extreme Angst und Unruhe.
Typische Symptome sind:
- Unkoordinierte Bewegungsabläufe
- Panikattacken
- Jaulen und Heulen
- Starkes, anhaltendes Bellen
- Starke Unruhe
- Die Hunde sind kaum ansprechbar
Zudem sind Fälle beschrieben, wo Tiere aus Panik versucht haben, aus dem geschlossenen Fenster zu springen. Auffällig ist auch, dass in manchen Haushalten gleich mehrere Hunde von den Störungen betroffen waren. In manchen Fällen kommt es offenbar zum Ende einer solchen Episode zu einem epileptischen Anfall mit Krämpfen.
Tierärztin Dr. Julia Vietmeier:
„Bei einem Verdacht auf das Werwolf-Syndrom sollte der Hund schnell in einer Tierarztpraxis vorgestellt werden, bestenfalls mit einer Spezialisierung auf Neurologie. Es hilft, über die Ernährung des Hundes Tagebuch zu führen, um so den Ursachen schneller auf die Spur kommen zu können.“
Tierärzte, die sich auf Neurologie spezialisiert haben, findest du beispielsweise auf der Seite “TIERneurons”.
Ist das Werwolf-Syndrom beim Hund heilbar?
Tödlich verlaufende Erkrankungen gibt es bei Hunden bislang nicht – so ist der aktuelle Kenntnisstand. Innerhalb einiger Tage bis Wochen tritt eine Besserung der Symptome ein. Der Verlauf der Erkrankung ist individuell, doch bei fast allen Hunden gehen die Auffälligkeiten vollständig zurück.
Leider sind einige Hunde im Verlauf der Erkrankung aus Sicherheitsgründen eingeschläfert worden. Dies passierte jedoch zunächst aus Unkenntnis des Krankheitsgeschehens und zur Sicherheit der Besitzer.
Mögliche Ursachen des Werwolf-Syndroms: Das ist bisher bekannt
Bei den Verhaltensauffälligkeiten handelt es sich möglicherweise um Vergiftungserscheinungen. Die Suche nach dem Gift (Toxin) läuft noch. Erste Hinweise deuten darauf hin, dass Rinderhautknochen beteiligt sind. Da sich die Meldungen häufen, dass Hunde vor einer Episode Rinderhautknochen bekommen haben, wird nun in diesen Produkten nach Toxinen gesucht. Dies ist aber sehr aufwendig und langwierig.
In Finnland, Dänemark und den Niederlanden kam es bereits zu behördlichen Warnhinweisen. Einige der genannten Produkte waren auch in Deutschland erhältlich. Ein chinesischer Händler, der verschiedene Unternehmen mit Rohmaterialien, wie Rinderhaut, beliefert, wird in diesem Zusammenhang überprüft. Die Forschenden in Deutschland fokussieren sich aber zurzeit noch nicht auf einen bestimmten Produzenten oder Standort.
Kauartikel als mögliche Ursache
Kauprodukte der Firma Barkoo, die in den Verdacht gerückt sind, ursächlich verantwortlich zu sein, wurden auch in Deutschland verkauft. Das Produkt wurde erst einmal aus dem Sortiment genommen und ein Warnhinweis veröffentlicht. Die in Verdacht stehenden Chargen des Rückrufs sind auf der Webseite der NVWA (Nederlandse Voedsel- en Warenautoriteit) veröffentlicht. Auch andere Produkte, wie Kauknochen der Firma Chrisco sollen eventuell betroffen sein und es erfolgte ein Rückruf. Diese werden aber überwiegend in Dänemark verkauft.
Es gibt bislang noch keinen Beweis für die Theorie, dass diese Produkte verunreinigt sind und somit die Ursache des Werwolf-Syndroms darstellen könnten. In Deutschland ist bislang noch kein behördlicher Hinweis zu Produkten bestimmter Hersteller veröffentlicht worden.
Das Werwolf-Syndrom behandeln
Da noch keine Ursache gefunden wurde, können die vermeintlichen Vergiftungserscheinungen der Hunde bisher nur symptomatisch behandelt werden. Das bedeutet, sie bekommen – falls nötig – sedierende und angstlösende Medikamente und stehen unter tierärztlicher Kontrolle.
Voraussetzung für eine Therapie sind
- eine gründliche, neurologische Untersuchung und
- Abklärung aller Ausschlussdiagnosen.
Andere Ursachen wie z. B. Hirntumore, Epilepsie, Infektionen und Autoimmunerkrankungen müssen tierärztlich geprüft werden.
Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover zum Werwolf-Syndrom
Im Rahmen eines Forschungsprojektes untersucht die Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) zusammen mit der Kleintierklinik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München die Ursachen des Phänomens. Federführend ist hier u. a. die Tiermedizinerin Dr. Nina Meyerhoff. Hundebesitzer von betroffenen Hunden sind aufgerufen, an dieser Studie teilzunehmen, um den Auslöser der Erkrankung möglichst schnell zu finden. Es gibt online einen Fragebogen, der ausgefüllt werden kann:
Wirksam vorbeugen: Wie kann ich das Werwolf-Syndrom verhindern?
Aktuell gibt es noch keine fundierten Hinweise auf die Ursachen der Erkrankung. Trotz allem stehen Kauknochen aus Rinderhaut in Verdacht, eine Vergiftung hervorzurufen. Um welche Art von Gift es sich hierbei handelt, ist zurzeit noch offen.
Handlungsempfehlungen von Tierärztin Dr. Julia Vietmeier:
- Verfüttere bis auf weiteres keine Rinderhautknochen mehr, da auf der Verpackung nicht gekennzeichnet werden muss, woher die Rohstoffe kommen. Würde es sich um eine mit potenziellen Giftstoffen verunreinigte Charge handeln, könnte eine wie oben geschilderte Episode ausgelöst werden.
- Alternativ kannst du Hundespielzeug verwenden, in das sich Hundefutter oder andere Snacks wie Gemüse, Obst und Hüttenkäse einfüllen lässt.
Fazit: Rinderhautknochen sind ein beliebter Snack für Hunde. Doch die Möglichkeit besteht, dass diese nun verantwortlich sein könnten für das Werwolf-Syndrom bei unseren Vierbeinern. Wie geht ihr mit dieser Neuigkeit um?
Tierärztin Dr. Julia Vietmeier
ist promovierte Fachtierärztin und setzt in ihrer Praxis auf Chiropraktik und Akupunktur.
Sie legt großen Wert auf die ganzheitliche Behandlung ihrer vierbeinigen Patienten.
Quellenangaben
https://www.nvwa.nl/documenten/waarschuwingen/2024/12/31/veiligheidswaarschuwing-barkoo-kauwbotjes-voor-honden
https://ibei.tiho-hannover.de/survey/epunver/